Leipertitzer Johrling

 

Beim Poldlthomashannes war es wieder einmal so weit. Der Storch brachte zu den sechs Kindern, die den stattlichen Bauernhof bereits bevölkerten, noch ein Siebentes, das von den Brüderlein und Schwesterlein freudig begrüßt wurde. Da die Wiege groß genug war, wurde zu dem im vorigen Jahr geborenen Karl der Neugeborene einfach dazu gelegt. Nach alter Sitte musste der kleine Erdenbürger innerhalb von drei Tagen getauft werden. Unverzüglich wurden der Göd und die Godl, die zwar schon lange von diesem freudigen Ereignis wußten, verständigt und gebeten, die Patenschaft für den kleinen Georg – so sollte der Neugeborene heißen – zu übernehmen, was auch freudig zugesichert wurde, denn man hatte es bereits sechsmal getan. Die Godl gab ein Taufbildl mit viel Spitzen und Rüschen in Auftrag, natürlich in rot, weil es ein Bub war. Auch das „Seidene“( das beste und schönstes Kleid einer Bäuerin früherer Zeit. Gefertigt war es aus reiner Seide von meist dunkelbrauner Farbe.) samt Plüschgugl (ein schweres, aus schwarzem oder braunem Plüsch hergestelltes Kopftuch mit z, T. auch eingewebten Blumenmustern.) wurden hervorgeholt und für den Mann musste auch der „Bräutigambunda“ (ein schwarzer Gehrock mit Samtkragen, den der Hochzeiter zu diesem Anlaß anlegte. Der Ausdruck „Bunda“ stammt aus dem Madjarischen (Ungarischen) und bezeichnet den Schafpelzmantel. In Leipertitz und wohl auch anderswo nannte man nicht nur den Gehrock sondern auch den „Stutzer“ (kurzer Männerrock) Bunda.) ausgebürstet und gerichtet werden. Auch der buntbemalte Henkeltopf, mit dem die Godl der Wöchnerin, 14 Tage Suppe und die sogenannten „Krapferln“ ins Haus brachte, musste in Stand gesetzt werden, denn so eine Taufe in der damaligen Zeit war ein Auftrag, eine Verpflichtung, die mit Würde begangen und ausgeführt wurde. Mit einem Wort, man wollte gesehen werden. Als sich nun die Gefattersleute, so nannte man damals die Taufpaten, im Hause des Poldlthomashannes einfanden, um den Täufling abzuholen, musste zuerst ein Gläschen Wein auf das Wohl des kleinen Erdenbürgers getrunken werden. Doch durch das Trinken, Reden und Fragen wurde das läuten der Kirchenglocke überhört. Als aber nun die Glocke zum zweiten Male zu läuten begann, schreckte alles mit dem Ruf „Jesusmarandjosef“ auf, denn jetzt musste es sehr schnell gehen, wenn man sich nicht, von dem gestrengen Pfarrer, Schelte einhandeln wollte. Der Täufling schlief friedlich neben dem ebenso friedlich schlummernden einjährigen Karl und war noch nicht einmal eingepolstert. Um keine Zeit mehr zu verlieren, ging es nun Ruck-Zuck. Schnell griff die Godl den vermeintlichen Neugeborenen, im Nu war dieser verpackt und verschnürt, mit dem Tauftuch und Taufbildl versehen, und ab ging es in die Kirche. Nach außen hin ließ man sich die Eile keineswegs ansehen und schritt bedächtig wie es ein derartiger Vorgang verlangt, den Weg zur Kirche. Man kam – wenn auch verspätet – doch immerhin noch zur rechten Zeit an. Auch der Pfarrer, der sich mit den Ministranten ärgern musste, verspätete sich etwas, so dass man sich auf dem Weg zum Taufbrunnen traf. Sogleich nahm die Taufe ihren Anfang. Als aber in dem Augenblick der Pfarrer sagte: „ Ich taufe dich im Namen Gottes und der heiligen Dreifaltigkeit auf den Namen Geo…“ und dabei das Taufwasser auf den Kopf des Kindes goss, begann es zu schreien, das schließlich in ein Gebrüll überging. Der Pfarrer unterbrach die heilige Handlung. Die Godl, nicht unerfahren in Kinderstimmen, weil sie selbst sechs ihr Eigen nannte, überkam ein furchtbarer Verdacht. Mit einem Male dämmerte es ihr, dass nicht das Neugeborene, sondern der einjährige Karl zum zweiten Male getauft worden war. Nach außen hin tat man so, als sei nichts geschehen. Im Einvernehmen mit dem Herrn Pfarrer wurde eine neuerliche Taufe in den späten Abendstunden vereinbart, damit nun der richtige Georg seinen Namen bekam. Man glaubte, außer dem Pfarrer wird niemand von diesem Missgeschick erfahren. Doch wie immer im Leben machte man die Rechnung ohne den Wirt. Diese Sache sprach sich rasch herum, gelangte schließlich über die Gemarkungen des Dorfes hinaus und trug den Bewohnern der Gemeinde Leipertitz den Spitznamen              „Johrling“                 ein.

Im Hinblick auf die Spitznamen anderer Gemeinden – und in Südmähren hatten alle einen – sind die Leipertitzer eigentlich recht gut davon gekommen, denn dieser Spitzname fußt auf einer Verwechslung, beziehungsweise auf einem Irrtum und irren ist ja menschlich. Es gibt aber Dörfer in Südmähren, deren Spitznamen andere menschliche Eigenschaften zugrunde liegen. Darüber zu schreiben, werde ich mich hüten.

(Diesen Text verdanken wir Leopold Brunner, Haus Nr. 101, Bürgermeister von 1938-1944. Geboren am 13.2.1907, verstorben in Dauchingen am 5.10.1995.)

"Poisterkind" mit  Einbindeband, mit Kreuzstichen bestickt und umhäkelt
"Poisterkind" mit Einbindeband, mit Kreuzstichen bestickt und umhäkelt
Wöchnerinnenkrug
Wöchnerinnenkrug

Wöchnerinnen und Taufe

Die Hebamme wurde zur Entbindung in Haus geholt. Sie erledigte alles, was mit dem Kind und der Mutter am ersten Tag zu tun war, wie waschen und trockenlegen. Die nächsten 6 – 7 Tage kam sie täglich, meist vormittags. Sonst war die Großmutter oder eine Verwandte anwesend. Die Mutter durfte ja eine Woche lang nicht aufstehen, daher der Name Wöchnerin

 

Die Taufe war früher am Tag der Geburt oder am nächsten Tag. Nur die Paten und die Hebamme trugen das Kind zur Kirche. Die Patin oder der Pate, die Hebamme und die eigene Familie nahmen dann das Taufmahl mit Suppe, Fleisch und Zuspeise ein, das von den Verwandten zubereitet war.

 

Die Godl (oder Gödl ) brachte nach der Taufe für das Kind ein Deckchen in Herzform mit, das Rüschchen eingesäumt war. Auf dieses „Taufbildchen“ waren drei Münzen geklebt. Für die Göden (Paten) begann am Tag nach der Taufe die Arbeit des Suppentrages. Die Godl brauchte ein junges gekochtes Suppenhuhn mit selbstgemachten Nudeln, alles in der Suppe. Dazu benutzte man einen, nur für diesen Zweck verwendeten, besonders schönen Krug.

Wer keinen hatte, der borgte sich einen. Außerdem gehörte noch eine Schüssel mit Krapferln (Schneeballen) dazu, die in einem weißen Tuch eingeschlagen getragen wurde. Am nächsten Tag gab es gekochtes Rindfleisch in der Nudelsuppe und wieder Krapferln dazu. In den zwei folgenden Tagen wechselte Hühner- und Rindfleischsuppe sich ab, jeweils mit Krapferln. Am fünften Tag brachte die Godl nur noch Kaffee und Kipferln aus Germteig (Hefe)

Damit war das Suppentragen bis nächstes Jahr beendet, wenn wieder ein Kindchen geboren war.

Der Artikel Wöchnerinnen und Taufe stammt aus dem Buch „Tief sind die Spuren“ von Leopold Fink