Die gestohlene Sau aus Leipertitz

 

In der harten Zeit nach Kriegsende 1945 wurde von den Tschechen alles kontrolliert. Jede Kuh, jedes Schwein, jede Ziege, ja sogar die Anzahl der Hühner, Gänse und Enten auf den Bauernhöfen waren registriert.

Jede Nacht wurde schwarz über die Thaya gegangen, meist war Neudorf in Niederösterreich das Ziel der Leipertitzer. Hier hatten in alten verlassenen Häusern oder Scheunen der ein oder andere Leipertitzer sich mehr schlecht als recht eingerichtet, hierhin wurde jede Nacht Habseligkeiten, Bettwäsche, Kleidung, Lebensmittel herübergebracht. Man brachte ein wenig seines Eigentums über die Grenz in Sicherheit. Es begannen bereits die ersten Ausweisungen und so hoffte man dieses Gerettete eventuell mitnehmen zu können auf der langen Reise ins ungewisse, in die Vertreibung nach  auf den Feldern gearbeitet werden musste, wurden unter der Ladung des Leiterwagens oft die Sachen mitgenommen, die dann des Nachts über die Thaya hinübergeschafft wurden. Je nach Niederschlagsmenge führte der Fluss unterschiedlich Wasser, oft mussten die Grenzgänger ihre Habseligkeiten hoch über den Kopf halten, damit alles trocken blieb. Der große hatte einen beachtlichen Vorteil, Kinder und Jugendliche wurden oft selbst über die Thaya getragen, man benötigte sie als Träger der Habseligkeiten vom Versteck bis zum Fluß und weiter nach Neudorf oder Wildendürnbach. Alle an der Grenze wohnenden Südmährer schafften Teile ihres Hab und Gutes außer Landes.

In den österreichischen Grenzdörfern gab es in dieser zeit kaum mehr Tiere, der Hunger und die große Zahl der bereits Geflüchteten sorgten dafür.

So mancher verwegene Plan wurde geschmiedet (Pitzinger Heinrich Hausnr. 22, z.B band sich seine geschlachteten Hühner unter der Jacke verborgen, um die Hüften) um mit List und Tücke gerade Lebensmittel oder etwas Essbares hinüber zu schaffen.

So reifte auch im Hause Hanak, Nr. 370, angesichts des großen schlachtreifen Schweines im Stall der Plan, dieses vor den Tschechen in „ Sicherheit“ zu bringen. Das schlachten wurde mit Beginn der Nacht durchgeführt, lautlos ging alles von Statten, die Hausfrau Hanak, Barbara war natürlich eingeweiht, nahm aber am Geschehen nicht teil. Ihre Rolle sollte erst am nächsten Tag beginnen. Die schwere Sau wurde in 4 Hälften zerteilt, 4 kräftige Träger zum Transport des Tieres nach Neudorf standen bereit.    Es waren:

Wallentin, Mathias;  Obleser, Florian;  Hanak, Ernst  und  Bobschek, Willi.

Schnellen Schrittes strebten die 4 mit schwerem Gepäck der Thaya zu, um über den Fluß angekommen, zu warten bis das abgesprochene Fuhrwerk aus Neudorf kam. Der Obleser Onkel vom Wallentin Mathias hatte in Neudorf ein altes Ross stehen, das wurde vor den Wagen gespannt, die junge Brüstl Berta und ein weiteres Mädchen mussten den 4 in der dunklen Nacht entgegen fahren. Den Weg kannten die beiden genau, waren sie doch selbst schon über 20-mal über die Grenze gegangen. Die Rucksäcke wurden verladen, die Männer gingen hinterdrein um dem altersschwachem Pferd nicht noch mehr Last auf zu bürden, der Leiterwagen war für die Mähre schon ein Problem. Aus dem gemächlichen Ziehen wurde ein Galopp Richtung Neudorf, denn in der Ferne sah und hörte man eine russische Soldatenkolonne herannahen. Die 4 Männer versteckten sich im Feld, Brüstl Berta fuhr durch einen Hohlweg eine Abkürzung und erreichte glücklich die Scheune. Das Ross wurde ausgespannt, trockengerieben, der Leiterwagen in den Unterstand geschoben. Als die 4 Leipertitzer Lastenträger ebenfalls zur Scheune kamen und sahen das nur noch 3 Rucksäcke auf dem Wagen waren, begannen sie zu streiten und man bezichtigte sich gegenseitig ein Viertel des Schweins beiseite geschafft zu haben! Bei näherer Betrachtung und des Ablaufs war aber ein Diebstahl sehr unglaubwürdig und so beschloss man die Strecke Richtung der Thaya abzufahren und zu suchen. Das altersschwache Pferd wurde wieder eingespannt und musste noch mal Richtung Grenze traben. Man wurde mitten im Hohlweg fündig, der vierte Rucksack war während des Galopps heruntergefallen und lag im Strassenstaub. Die russische Kolonne war vorher Richtung Laa abgebogen, so waren der Streit und die Verdächtigungen schnell vergessen, im Morgengrauen erreichte man wieder Neudorf.

An nächsten Morgen musste ja in Leipertitz der Diebstahl einer Sau gemeldet werden. Die Hanak Basl konnte so überzeigend wegen ihres gestohlenen Schweines jammern und wehklagen das die tschechischen Funktionäre wirklich an einen Diebstahl glaubten und man konnte 2 Tage später in der Nikolsburger Zeitung lesen, das in Leipertitz von Tschechen eine schwere Zuchtsau gestohlen worden war !

dieser Artikel wurde eingereicht von Barbara Stich ( Hanak, 370 ) und Berta Kraus

( Brüstl, 2 )

Schlachtfest
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