Die Kathi von Leipertitz

Die Katharina Hasenbratl aus Leipertitz hatte zwar mancherlei in der Volksschule

gelernt, aber was die drei Buchstaben bedeuten, die man zum Dreikönigsfeste

 (6. Jänner) mit geweihter Kreide an die Türen schreibt, um sein Hauswesen für das

ganze Jahr dem besonderen Schutze der ,,Weisen aus dem Morgenlande" anzuempfehlen, war ihr verborgen geblieben. Dessen ungeachtet wurde sie groß und stark und da sie auch brav und anstellig war, von der Frau Medizinalrat Hasenbart gern in

Dienst genommen.

Die Kathi strahlte vor Freude und Bewunderung, als sie in der Geschirrkammer die

vielen schönen Sachen sah, von denen sie bisher kaum eine Ahnung gehabt hatte. Und

als sie durch die Zimmer geführt wurde, meinte sie, zuvor die filzenen Hausschuhe

anziehen zu müssen, damit sie den schweren kostbaren Teppichen ja nicht etwa zu

grob ins Gesicht fahre. Und erst die Küchel - Die war ja rein so groß, wohl nicht größer

als die ganze Chaluppen ihrer Eltern daheim. Und dabei hatte sie elektrisches Licht

in Fülle und obendrein einen leibhaftigen Gaskocher... Ja wer sich das alles hätte

merken können, was in dem Hasenbartschen Hause vom Dachboden an bis zum

Keller zu sehen war.

Was jedoch der Kathi von Anfang an weniger zusagte, war der Koststudent der

Familie: einmal war er als leibhaftiger Graf ihr viel zu noblicht, dann war er zaundürr

und ging „so gespreizt" einher, als würde er täglich zum Frühstück einen Kochlöffel

schlucken. Dabei hatte er - und dies stierte es der Kathi ganz besonders - eine ,,

Visasch" (Gesichtsausdruck), dass, wie sie sagte, selbst der Halterbub von Leipertitz,

der auf den Namen Krautwasch hörte, ihm hierin bedeutend über war. Und vielleicht

war er gar so etwas wie ein Schnapphahn oder ein ,,Stoßvogel" (Habicht), der es vor

allem auf Mädchen vorn Lande abgesehen habe - man kann ja nicht wissen -

verzwickt genug schaute er schon aus und durch die Nase redete er auch ... und

Meyerhoff mußte er auch noch dazu heißen . Und ihre ohnehin recht geringe

Achtung vor dem ,,Von und Zu", wie sie sich ihren Kameradinnen aus der

Nachbarschaft gegenüber auszudrücken pflegte, sank noch um einige Grade Celsius

oder Reaumur, als ihr die Tochter des Schuldieners gelegentlich steckte, „der

Blasius Meyerhoff oder aufgeblasene Meyeraff sei der schwächste in der Klasse,

weil er seinerzeit bei Verteilung der Gescheitheit ,,adsum" (hier) zu rufen vergessen

hätte - so habe es ihm der Professor Hausenbieg vor der ganzen Klasse etliche Mal

schon ins Gesicht gesagt ...“

Da gefielen der Kathi die ziemlich oft vorsprechenden Gäste der Herrschaft schon

ganz anders als dieser „glausaugele“ (bebrillte) Spatzenschrecker mit den langen

zerrauften Haaren". So vor allem dar Pohrlitzer Sparkassendirektor Sigi Sigstes und

der Stadtpfarrer von Poysdorf Monsignore Fürsteck und schließlich der Joslowitzer

Rechtsanwalt Dr. Schnürer, der, wenn er kam, was ziemlich oft der Fall war, da er

als JunggeseIle ,,Familienanschluß" suchte, und das just bei den Hasenbartschen

mit den zwei schmucken Töchtern, die längst keine Hasenbärtlein mehr waren,

teweilse ganz zu vergessen schien, wenn er angekommen und bei welcher Tür er

eingetreten... Dafür konnte er aber erzählen, besonders wenn er, wie die Köchin

sich auszudrücken pflegte, seine Maschinerie (Kehl) gehörig eingeölt und geschmiert

hatte. Der Supplent Hirnschmalz vom Gymnasium war ihm jedoch, wann er

vorsprach, hierin ohne Bedenken überlegen, denn er war weit mehr in der Welt

herumgekommen als er und die Kathi obendrein, obwohl diese schon in Froschblas

und Katzelbrunn gewesen, wo, wie es hieß, die Schildbürger von Südmähren daheim

waren und schon die Wiegenkinder die Gelsen niesen hörten und den Wind auf der

Gasse laufen sahen ... Nicht zum glauben, wo der junge gelehrte Herr schon überall

gewesen! Am Schwarzen Meer ebenso wie am Toten Meer und am Weißen und

Roten und Grünen ebenfalls. Und am „Baltischen Meer" (Ostsee) hatte er sogar die

in grauer Vorzeit von den Wogen verschlungene Stadt Vineta gesehen, und, dieweil

er eben ein Sonntagskind war, die Glocken aus geheimnisvoller Tiefe läuten hören.

Und als der Weitgereiste am nördlichsten Punkte Europas gewesen, hatte die Kathi

beim Servieren das weitere aufgeschnappt und den dienstbaren Heinzelmännchen

weiblichen Geschlechtes in der Küche brühwarm anvertraut, las er beim Scheine der

Mitternachtssonne sogar die berühmte ,,Nikolsburger Wochenschrift" und

selbstredend auch das geflügeIte Angebot, daß „ein Sprungstier, Rotscheck" in

Unter-Tannowitz zu erstehen sei. „Marandjure“, gluckste sie dann zuweilen auf,

wenn sie den Zuhörerinnen den Kopf mit allerlei Neuigkeiten ange füllt, „da könnt eins

schon beim Aufpassen ganz damisch werd'n" - und sie faßte mit beiden Händen ihren

Kopf und begann ihn zu drücken wie weiland des berühmten Ritters von der

traurigen Gestalt Don Quixote Schildknappe den seinen, nachdem er eine aufrührerische

Mixtur genommen. „Jeskasna, wann i das alles erzählen wollt, was ich in

dem Speiszimmer schon erfahren hab, möcht ich bis zur blinden Nacht nicht fertig

werd'n. lch hab eh schon an Kopf wia a Krautschaffl und bin fast schon so gescheit

wia die Radda Hedwig von Kaufmann.... Wann i das amol in Leipertitz zum Besten

gib, machen's mi eh gleich zum Unterlehrer oder Gemeindesekretär und schreiben

aufs Vatern sein Misttrücherl: „Geburtshaus der Katharina Hasenbratl was bei die

Hasenbartischen in Nikolsburg ist ausgemustert worden....

Die Wackere ahnte nicht, daß sie selber über kurz oder lang zur Unterhaltung der

Gäste das Ihrige beitragen und vor der ganzen bucklichen Welt dar tun werde, dass

sie nicht umsonst den wahrhaft poetischen und appetitlichen Namen Hasenbratl

führe und aus dem hochgepriesenen Leipertitz stamme, wo seinerzeit die Frau Godl

festgestellt, dass ein wegen großer Kälte in der Küche eingebettetes Kalbchen ,,da

ganze Voda" sei.

Als nämlich die Kathi am „Feste der Erscheinung" aus dem Frühgottesdienst nach

Hause kam, bemerkte sie an der Tür ihres Kabinettes mit Kreide geschrieben drei

große lateinische Buchstaben, dazwischen je ein Kreuzl und darunter die Jahreszahl

1929. Darob klappte sie den Mund jählings auf und ihre Augen schienen Miene

machen zu wollen, vorübergehend es den Schnecken gleichzutun. Es lief ihr heiß

und kalt über den Rücken, indes sie vergebens nach Atem rang. Endlich, da der

Bann, gebrochen, huschte es wie Sonnenschein über ihr Gesicht und sie platzte

heraus: ,,Naaaa.. , nur ein einziges Mal im Jahr lasst man alles liegen und stehn,

wie's liegt und steht, und gleich hat's so ein Froschweibl bemerkt und schreibt es

einem grob auf die Tür:

K(athi) + M(achs) + B(ett)

(Aus „Lehrer Stabel“ von J. Halusa - Man wird uns den Abdruck vergeben!)