Die heilige Taube

 

Die meisten Gemeinden Südmährens hatten Spitznamen, die Frischauer konnten sicher gleich deren zwei rühmen. Was es mit den „Schlossraubern“ auf sich hatte, ist uns leider nicht mehr bekannt, aber warum sie „heilige Geister“ genannt wurden, das hat mit uns Leipertitzern und ihrem Mesner Martl zu tun. Martl übte sein Mesneramt sehr gewissenhaft und sehr pünktlich aus, obwohl er eine kleine Schwäche hatte: Er konnte einem oder auch mehreren Vierteln Rebensaft einfach nicht widerstehen. In der Frischauer Pfarrkirche hing, wie in vielen anderen südm. Kirchen auch, von der Decke neben dem Ewigen Licht und Kerzenlüster auch das Symbol des hl. Geistes, in Form einer Taube aus Holz geschnitzt, herab. Das Aussehen der Taube hatte im laufe der Zeit erheblich gelitten und weil Ostern vor der Tür stand entschloss sich der Pfarrer das Symbol neu herausputzen zu lassen. Der beste Holzschnitzer im weiten Umkreis war der Veitl in Leipertitz und so wurde der Mesner beauftragt die Taube abzunehmen und ins Nachbardorf zu bringen. Bald darauf sah man den Martl, einen verschlossenen Korb im Arm, wie er sich auf den Weg machte. Es war ein sonnenklarer, wolkenloser Tag und die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel und oben am Höhenrücken in „Nickelsee“ schwebte dem Martl wie eine Fata Morgana ein köstlicher Viertel Roter wie in der Autratawirt in Leipertitz ausschenkte, vor. Im Ort angekommen, wollte er schon zum besagten Wirt abbiegen, doch es fiel ihm die ermahnenden Worte des Pfarrers ein, kein Wirtshaus mit dem Heiligen Geist im Korb zu betreten. Er riss sich zusammen, ging zuerst zur Werkstatt vom Donauerschnitzer. Was er aber dort zu sehen bekam, bracht dem Martl in höchste Verwunderung, den ein ganzes Regal voller reparaturbedürftiger Holztauben waren da zu sehen. Der Mesner war sprachlos, so viele „Haleche Geista“ hatte er noch nie beisammen gesehen und er fragte erstaunt:“ Jo sog amol Veitl, gibt`s den so vü Haleche Geista?“ Der lächelte ihm an und flüsterte ihm zu: „Jo woast Martl, iazt vor Ostern, do kemmans aus da gonzn Umgeweng zu mir gflogn und lossn se schö moche !“ Für Martl war das alles rätselhaft und er schüttelte nur den Kopf. Als er dann dem Veitl seinen Heiligen Geist aus der Frischauer Kirche zeigte, besah sich dieser die Holztaube und meinte, das er diese, wenn er 1 Stunde warten wolle, wieder in Ordnung bringen könnte und er sie gleich wieder mitnehmen könnte. Martl war froh, den Weg nicht zweifach machen zu müssen, sagte sofort zu und sagte nur, das er sich inzwischen im Dorf umsehen werde. Kaum draußen, strebte er dem Gemeindegasthaus zu, um endlich das ersehnte Viertel zu genießen. Dort fand er sich bald in einer munteren Gesellschaft, man kannte den Frischauer Mesner, und er musste erzählen in welch wichtigen Auftrag er unterwegs war. Aus dem einen Viertel wurden mehrere und Martls Kopf immer schwerer, aber plötzlich fiel ihm sein Auftrag ein und voll Schreck wollte er sogleich zum Schnitzer um seinen „Halechn Geist“ zu holen. Einige junge Burschen erboten sich aber dem Martl eine Gefälligkeit zu erweisen und für ihn beim Veitl den heiligen Geist abzuholen. Noch bevor Martl etwas erwidern konnte, waren sie schon draußen und es dauerte nicht lange und sie brachten den gut verschlossenen Korb wieder zurück. Martl, erfreut über das Entgegenkommen, trank noch eins und machte sich mit schwankenden Schritten auf dem Heimweg. Die Schritte wurden immer schwerer, Martl wurde immer müder, der köstliche Rote zeigte Wirkung. Martl wollte ein wenig rasten, er war ja schon den halben Weg gegangen und an der Gemarkungsgrenze schlummerte er ein. Eine Weile später fuhr er erschrocken auf, entsann sich seines Auftrages, sah in seinem Korb und wollte sich vergewissern, ob der „Haleche Geist“ noch darinn sei, Er öffnete den Deckel und eh er es richtig erfasste, schwang sich der reparierte Heilige Geist, den die Burschen mit einer weißen Brieftaube getauscht hatten, in die Lüfte, drehte mehrere Kreise und flog in Richtung seines Heimatschlages in Leipertitz zu. Erschrocken blickte Martl dem Vogel nach und schrie: „Haleche Geist, af Friasche zui, in Leipertitz homs eh scho gmui!“ Doch der „Heilige Geist“ störte sich an diesem Zuruf nicht und seit dieser Zeit fehlt in der Kirche zu Frischau dieses Symbol, die Holztaube. Als Ersatz haben die Frischauer einen Spitznamen mehr.