Der letzte Wein von Leipertitz

  

Kurz vor Kriegsende, Anfang Mai 1945 stand die deutsch-sowjetische Front vor Leipertitz, seit mehreren Tagen hörte man deutlich den Gefechtslärm aus Richtung Wostitz, Dürnholz und Fröllersdorf.

Leipertitz sollte am 7. Mai geräumt werden, verteidigungslos fürchtete man Übergriffe der nachrückenden russischen Soldaten. So wollte die deutsche Militärführung in Einvernehmen mit der zivilen Verwaltung zumindest der sowjetischen Soldateska keinen Alkohol hinterlassen, was schon immer in Kriegszeiten zu noch größeren Exzessen gegen die Zivilbevölkerung durch betrunkene Soldaten führte.

Unsere Weinbauern mussten die Hähne öffnen, stundenlang rann der edle Rebensaft auf die Erde, deutsche Soldaten gingen von Keller zu Keller, viele Fässer wurden zerschossen, ein besseres Alibi für die Weinbauern, denn ein unversehrtes Fass, nur mit offenen Hahn hätte sicherlich zu noch größeren Repressalien geführt. Die Pipen wurden mit einem Hammer zerschlagen oder weggeworfen. Der Lohn jahrelanger harter Arbeit im Weinberg und so manch edler Tropfen versickerte oder man stand knöcheltief im Wein!

Makabres Schauspiel, es wurde getanzt und musiziert! Die deutschen und ungarischen Soldaten, oft blutjunge, gerade erst in die Uniformen gepresst, tranken mit den alten Frontkämpfern die letzten Krüge leer, jeder wusste das morgen wieder ein großer Rückzug bevorstand, weiter in Richtung Niederösterreich.

Dass es dann am nächsten Tag auf der Frischauer Strasse alles in einem fürchterlichen Fliegerangriff zu Ende ging ahnte niemand. Man musste die verkohlten Leichen beerdigen, die durch die Hitze des Feuers und der Granaten, oft bis zur Unkenntlichkeit verbrannt waren, welche gestern noch den besten Wein aus besten Lagen tranken. Es wurden keine Erkennungsmarken gefunden, zu groß war die Hitze des Feuers gewesen. Weitere grausame Kriegsschicksale am Ortsrand von Leipertitz.

Kein Hinweis, kein Stein zeugt heute vom Tod vieler Menschen an der Frischauer Strasse. Wäre es für uns nicht wichtig heute als Mahnmal für die Grausamkeit und Sinnlosigkeit des Krieges eine Erinnerung, einen Gedenkstein, ein neues Martl an dieser Stelle zu errichten?

 

( nach einer Schilderung von Paula Haase, geb. Brüstl, Eutingen, Leipertitz # 21)

 

 

 

Am Tag als die Russen kamen

 

Das wegschütten des Weines, das ausleeren und zerstören der Fässer hatte nicht das erhoffte Ergebnis.

Der Bauernführer Nautscher musste auf Geheiß des provisorischen russ. Kommandanten die Keller in denen Wein gelagert war, nennen. Die Leipertitzer mussten eine Gruppe abstellen, welche in den Kellern, die Fässer hinten anheben und unterbauen und so lief noch genügend Wein vom Fassboden in Bottiche und Kannen um ein zweitägiges Trinkgelage der russ. Soldaten. Diese Gelage wurden noch ausschweifender da am nächsten Tag Kriegsende war. Mit der Deutschen Kapitulation hatte das Morden ein Ende.

Jeder Kellerbesitzer musste anwesend sein, bevor der letzte Wein beschlagnahmt wurde. Von jedem Rest aus den Fässern musste er ein Gläschen nehmen, zu groß war die Angst der Russen, dass der Wein möglicherweise vergiftet war!

Dieser letzte Schluck seines eigenen Weines brannte den betroffenen sicherlich noch Jahre danach in der Kehle, wenn sie in der Fremde an die dramatischen Ereignisse dachten.

Entdeckten die Besatzer noch irgendwo etwas Wein, gab es drakonische Strafen. Pitzinger Johanna, Hs. Nr. 82, wurde wegen eines kleinen nicht gemeldeten Fässchen Weines derart geschlagen, das die Spätfolgen noch nach der Vertreibung medizinisch behandelt werden mussten.

 

 

Der am 8.Mai 1945 zerschossene Kirchturmknauf
Der am 8.Mai 1945 zerschossene Kirchturmknauf

Während am 8. Mai siegestrunkene Sowjets die deutsche Kapitulation feierten, aus Begeisterung auch in den Kirchturmknauf mit den alten Aufzeichnungen schossen, mussten einige Männer 6 Gräber ausheben. 5 für die ungarischen Soldaten und eines für das Zufallsopfer Hedwig Spandl (geb. Häubl, 10.10.1867) die sich von einem Querschläger getroffen, noch ins Haus schleppte und verblutete, da keine Angehörigen im Haus waren.

 

Im Mai 1945 ahnte noch niemand dass mit dem Öffnen der Fasshähne der letzte Wein von Leipertitz weggeschüttet wurde. Der über viele Jahrhunderte andauernde Weinanbau endete mit der Vertreibung.

 Nur noch die alten uns so vertrauten Gemarkungsnamen weisen auf die ehemaligen Weinlagen hin, wie die „alten Weingärten“ (olde Biere), „Siebenvierteläcker“, oder die „Weingärten am Moskowitzer Weg“.

(nach Informationen von Spandl Brunhilde, geb. Nautscher, Hochdorf, Leipertitz # 19)